Das Gehirn von Hochbegabten funktioniert anders, als von „normalen“ Menschen. Durch die Strukturen ist viel mehr möglich, was aber auch schnell zu einer Überforderung und Überreizung führt. Mehr denken, mehr fühlen, mehr wahrnehmen – das sind die drei Leitsätze, an denen man Hochbegabte verstehen und auch erkennen kann.
Mehr denken – Die Gedanken drehen sich in der Spirale um ein Thema herum
Hochbegabte Kinder und Erwachsene haben Gedanken, die in Lichtgeschwindigkeit durch den Kopf fließen. „Normale“ Menschen denken linear, Hochbegabte hingegen denken assoziativ. Das bedeutet, dass sie alles, jeden Aspekt eines Themas bedenken, überdenken. Ich nenne es gerne „zu Tode denken“, das trifft es meiner Meinung nach am besten, was ich die ganze Zeit innerlich treibe.
Diese Kinder (und Erwachsene) hinterfragen alles, stellen Detailfragen und hören selbst dann nicht auf die Aussagen in Frage zu stellen, wenn doch eigentlich das Thema abgeschlossen war. Sicherlich wollen manche provozieren. Doch die meisten möchten einfach nur ALLES zu dem Themenbereich wissen. Eine typische Diskussion mit meinem Sohn ist, aus was Atome bestehen und in wie viele kleine Teile man diese noch zerteilen kann. Dieser Drang nach Wissen und Verstehen begleitet Hochbegabte bis ins hohe Alter, wenn sie sich ihre gesunde Neugier beibehalten haben.
Schlaflosigkeit ist bei vielen Menschen ein großes Thema. (Quelle: Dietmar Bittrich: Einschlafbuch für Hochbegabte*) Der Grund dafür ist, dass die Gedanken einfach nicht schweigen wollen. Vor allem nach aufregenden oder für mich aufwühlenden Tagen oder Gesprächen erlebe ich schlaflose Nächte. Denn meine Gedanken schwirren dabei wie Schmetterlinge in meinem Kopf und ich versuche das Erlebte zu analysieren und gedanklich einzuordnen.
Mehr fühlen – Gefühle sind intensiver und dauern länger an
„Drama Baby!“ Hochbegabte werden gerne als dramatisch oder hysterisch, aber auf jeden Fall sehr intensiv beschrieben und von anderen erlebt. Sie fühlen schlicht mehr und es dauert auch länger an. Die Freude ist größer, aber auch das Leid und körperliche Schmerzen ebenfalls. Die Gefühle von hochbegabten Kindern und Erwachsenen sprudeln in jeder Richtung förmlich über.
Bei meinen Kindern – und seien wir mal ehrlich, bei mir ebenso – sind Wutausbrüche aus dem Nichts ein tagtägliches Phänomen. Von einem Moment auf den anderen sind wir auf 180. Etwas stört die Hochbegabten und sie können ihren Frust nicht einfach wegatmen oder schönreden. Sätze wie „Sei nicht so hysterisch!“ verschlimmern das Ganze nur.
Im Laufe des Lebens lernen die Hochbegabten oftmals ihre Gefühle zu verbergen, unterdrücken, und einfach nicht mehr wahrzunehmen. Nach außen hin scheinen sie vollkommen entspannt und zufrieden. Doch man kommt kaum noch an sie heran und enge Freundschaften sind teilweise sehr schwer zu erreichen.
Mehr wahrnehmen – Hochbegabte haben keinen angeborenen „Filter“
Folgende Beispiele sind je nach Individuum unterschiedlich stark ausgeprägt. Vielleicht merken manche Hochbegabte diese „Fähigkeiten“ nicht.
Nicht nur Gedanken und Gefühle sind um ein Vielfaches gesteigert. Alle Außenreize nehmen Hochbegabte sehr intensiv wahr. An und für sich wäre das kein Problem. Doch die Reize haben oft keine „Rangfolge“ nach Wichtigkeit. Stattdessen sind alle Reize gleich stark, je nach persönlicher Ausprägung: Gerüche, Geschmäcker, Geräusche, Licht und Temperatur oder auch Oberflächen lösen auffallend starke Reaktionen aus.
Ich mochte schon als Kind starke Gerüche nicht und habe mich bereits als Jugendliche für das neutralste Deo entschieden. Meine Mitmenschen sagen immer, ich rieche nach nichts. In Sachen Geschmack kann es mir nicht intensiv genug sein. Je natürlicher und stärker der Eigengeschmack des z.B. Gemüses ist, desto besser schmeckt es mir. Bei meinem Sohn ist genau das Gegenteil der Fall: Er mag nur gedämpfte Geschmacksrichtungen, weil das meiste ihm zu intensiv schmeckt.
Außerdem haben Hochbegabte oft eine hohe Lichtempfindlichkeit. So schmerzen meine Augen und mein Kopf, wenn ich tagsüber in den Himmel schaue – vollkommen egal, ob es bewölkt ist oder sonnig. Gleichzeitig zur Lichtempfindlichkeit können sie aber auch Farben sehr gut voneinander unterscheiden und kleinste Unterschiede in der Schattierung wahrnehmen.
Auch Kleidung oder Gegenstände spüren Hochbegabte deutlicher: Wenn etwas kratzt, werden sie das Kleidungsstück nicht anziehen. Raue Oberflächen sind ebenfalls ziemlich unangenehm. Hier kann ich wieder ein Beispiel aus meinem Alltag nennen: Ich klettere seit wenigen Wochen. Beim Sichern habe ich meine „Lieblingsseile“, die mir wunderschön und angenehm durch die Hand gleiten. Die andere Sorte Seil hat eine ganz andere Haptik und ich musste erst einmal richtig viel üben, bis ich mit der wortwörtlichen Handhabung des Seiles zurechtgekommen bin, ohne mich zu verbrennen und aber gleichzeitig meine Kletterpartner wirklich festhalten zu können.
Ihr merkt schon: Hochbegabung kommt in den meisten Fällen auch mit der Hochsensibilität.
Mehr denken, mehr fühlen, mehr wahrnehmen – Ein Segen und ein Fluch
In einem weiteren Artikel werde ich berichten, wie sich eine Reizüberflutung anfühlt und zeigt. Denn aus diesen drei Punkten merkt ihr sicherlich schnell: Hochbegabte denken mehr, fühlen mehr und nehmen auch mehr wahr. Und das alles gleichzeitig!
Auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen: Jeder hat andere Antennen und unterschiedliche Schwerpunkte. Die einen können ihr Gegenüber über Blicke lesen wie in einem Buch und die anderen spüren an dem Geruch des Gegenübers, wie der sich fühlt. Man kann – genau wie bei jedem anderen Menschen – niemanden verallgemeinern.
Findet ihr euch in einigen Punkten wieder?
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Der ultimative Literatur Tipp zum Thema Mehr denken, mehr fühlen, mehr wahrnehmen
Jenseits der Norm – hochbegabt und hoch sensibel? von Andrea Brackmann*
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